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Gedichte von Bertolt Brecht

Bertolt Brecht war ein 1898 in Augsburg geborener Dramatiker und Lyriker, dessen Werke das 20. Jahrhundert maßgebend beeinflussten. Mit der Begründung und Umsetzung des epischen beziehungsweise dialektischen Theaters wurden die Werke von Brecht weltweit aufgeführt.

Brecht begann bereits im jungen Alter, zu dichten. Im Alter von 15 Jahren brachte er gemeinsam mit einem Freund die Schülerzeitung „Die Ernte“ heraus. Die darin erschienenen Beiträge wurden größtenteils von Brecht unter einem Pseudonym geschrieben. Jahrelang produzierte der junge Brecht zahlreiche Gedichte und Dramenentwürfe. Der erste „Durchbruch“ gelang ihm nach Beginn des Ersten Weltkriegs, als einige Reportagen, Gedichte, Prosatexte sowie Rezensionen seinerseits in lokalen und regionalen Medien veröffentlicht wurden. Ab 1916 entstanden Gedichte, die neun Jahre später in „Bertolt Brechts Hauspostille“ aufgenommen wurden.

Während seiner Berlinreise zwischen 1921 und 1922 schloss Brecht gezielt Bekanntschaften mit einflussreichen Berlinern. Er führte parallele Verhandlungen mit mehreren Verlägen und lernte Schauspieler sowie Dramatiker kennen. In dieser Zeit änderte der Dramatiker auch die Schreibweise seines Vornamens.

Der erste Bühnenerfolg ließ nicht lange auf sich warten. Im August 1922 begannen in München die Proben für die erste Uraufführung des Brecht-Stücks „Trommeln in der Nacht“ – die Aufführung fand im September statt. Beginnend mit dem Monat Oktober nahm Brecht eine Stelle als Regisseur und Dramaturg an den Münchener Kammerspielen an und heiratete im November Marianne Zoff, die bereits während der Proben der „Trommeln“ zum zweiten Mal schwanger war.

In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre entwickelte sich Brecht zu einem überzeugten Kommunisten, der seine politische Sicht in seine Stücke integrierte. Die Störungen der Nationalsozialisten zwangen ihn und seine Familie, Berlin im Jahre 1933 zu verlassen und ins Ausland zu flüchten. 1941 erhielt Brecht sein Einreisevisum in die USA, worauf er mit seiner Familie nach Santa Monica zog. In den USA verfolgte ihn seine kommunistische Vergangenheit: 1942 wurde er als „Enemy Alien“ (feindlicher Ausländer) registriert. Brecht kehrte später nach Berlin zurück, um sich weiterhin um seine Theaterstücke zu kümmern. Am 14. August 1956 starb Bertolt Brecht in Ost-Berlin.

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Zufluchtsstätte

Ein Ruder liegt auf dem Dach. Ein mittlerer Wind
Wird das Stroh nicht wegtragen.
Im Hof für die Schaukel der Kinder sind
Pfähle eingeschlagen.
Die Post kommt zweimal hin
Wo die Briefe willkommen wären.
Den Sund herunter kommen die Fähren.
Das Haus hat vier Türen, daraus zu fliehn.

Durch die Kammer ging der Wind

Durch die Kammer ging der Wind
Blaue Pflaumen fraß das Kind
Vor es seinen weißen Leib
Hingab still zum Zeitvertreib.

Doch zuvor bewies sie Takt
Denn sie wollte ihn nur nackt
Einen Leib wie Aprikosen
Vögelt man nicht in den Hosen.

Wirklich bei dem wilden Spiel
War ihr keine Lust zuviel.
Danach wusch sie sich gescheit:
Alles hübsch zu seiner Zeit.

Liebe Marie, Seelenbraut

Liebe Marie, Seelenbraut:
Du bist viel zu eng gebaut.
Eine solche Jungfernschaft
Braucht mir zu viel Manneskraft.

Ich vergieße meinen Samen
Immerdar schon vor der Zeit:
Wohl nach einer Ewigkeit
Aber lange vor dem Amen.

Liebe Marie, Seelenbraut:
Deine dicke Jungfernhaut
Bringt mich noch zur Raserei.
Warum bist du auch so trei?

Warum soll ich, sozusagen:
Nur weil du lang sitzenbliebst
Grade ich, den du doch liebst
Mich statt einem andern plagen?!

Baals Lied

Hat ein Weib fette Hüften, tu ich sie ins grüne Gras.
Rock und Hose tu ich lüften, sonnig – denn ich liebe das.

Beißt ein Weib vor Ekstase, wisch ich ab mit grünem Gras
Mund und Biß und Schoß und Nase: sauber – denn ich liebe das.

Treibt das Weib die schöne Sache feurig, doch im Übermaß
Geb ich ihr die Hand und lache: freundlich, denn ich liebe das.

Vom ertrunkenen Mädchen

Als sie ertrunken war und hinunterschwamm
Von den Bächen in die größeren Flüsse
Schien der Opal des Himmels sehr wundersam
Als ob er die Leiche begütigen müsse.

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Tang und Algen hielten sich an ihr ein
So daß sie langsam viel schwerer ward.
Kühl die Fische schwammen an ihrem Bein
Pflanzen und Tiere beschwerten noch ihre letzte Fahrt.

Und der Himmel ward abends dunkel wie Rauch
Und hielt nachts mit den Sternen das Licht in Schwebe.
Aber früh ward er hell, daß es auch
Noch für sie Morgen und Abend gebe.

Als ihr bleicher Leib im Wasser verfaulet war
Geschah es (sehr langsam), daß Gott sie allmählich vergaß
Erst ihr Gesicht, dann die Hände und zuletzt erst ihr Haar.
Dann ward sie Aas in Flüssen mit vielem Aas.

Böser Morgen

Die Silberpappel, eine ortsbekannte Schönheit
Heut eine alte Vettel. Der See
eine Lache Abwaschwasser, nicht rühren!
Die Fuchsien unter dem Löwenmaul billig und eitel.
Warum?
Heut nacht im Traum sah ich Finger, auf mich deutend
Wie auf einen Aussätzigen. Sie waren zerarbeitet und
Sie waren gebrochen.

Unwissende! schrie ich
Schuldbewußt.

Lied der liebenden Witwe

Ach, ich weiß, ich dürft es nie gestehen
Daß ich zittre, wenn mich seine Hand berührt
Ach, was ist mit mir geschehen
Daß ich bete, daß er mir verführt
Ach, zur Sünde schleiften mich nicht hundert Pferde
Wenn ich ihn nur nicht so sehr begehrte.

Wenn ich mir so gegen Liebe stemmte
Hab ich mich doch schließlich nur darum gestemmt
Weil ich weiß: steh ich vor ihm im Hemde
Bin ich ausgeplündert bis auf Hemd
Als ob er sich dann um meinen Vorwurf scherte!
Wenn ich ihn nur nicht so sehr begehrte.

Ich bezweifle, ob er meiner wert ist
Ob es wirklich Liebe bei ihm ist?
Wenn all mein Erspartes aufgezehrt ist
Wirft er dann die Schale auf den Mist?
Ach, ich weiß, warum ich mich so wehrte:
Wenn ich ihn nur nicht so sehr begehrte.

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Hätte ich Vernunft für sieben Groschen
Hätt ich nie gewährt, um was er leider bat
Sondern hätte ihn sogleich verdroschen
Wenn er mir, wie es geschah, zu nahe trat.
Ach, wenn er sich doch zum Teufel scherte!
(Wenn ich ihn nur nicht so sehr begehrte)

Liebeslied I

Als ich nachher von dir ging
An dem großen Heute
Sah ich, als ich sehn anfing
Lauter lustige Leute

Und seit jener Abendstund
Weißt schon, die ich meine
Hab ich einen schönren Mund
Und geschicktere Beine

Grüner ist, seit ich so fühl
Baum und Strauch und Wiese
Und das Wasser schöner kühl
Wenn ichs auf mich gieße.

Forderung nach Kunst

Die Gute, die dem Liebsten nichts verwehrt
Und sich ihm hingibt für den Fall des Falles
Muß wissen: Guter Wille ist nicht alles
Begabung ist’s, was er von ihr begehrt.

Selbst wenn da mit der Schnelligkeit des Schalles
Ihr Ichbindein sich in den Beischlaf kehrt
Er legt so viel nicht auf die Eile wert
Bei der Entleerung seines Samenballes.

Wenn auch die Liebe erst das Feuer schürt
So braucht sie doch, um dann zu überwintern
Durchaus auch noch den talentierten Hintern.
Mehr nämlich als ein seelenvoller Blick
(Der auch vonnöten) ist da oft ein Trick
Prächtiger Schenkel, prächtig ausgeführt.

Liebesunterricht

Aber, Mädchen, ich empfehle
Etwas Lockerung im Gekreisch:
Fleischlich lieb ich mir die Seele
Und beseelt lieb ich das Fleisch.

Keuschheit kann nicht Wollust mindern
Hungrig wär ich gerne satt.
Mag’s, wenn Tugend einen Hintern
Und ein Hintern Tugend hat.

Seit der Gott den Schwan geritten
Wurd es manchem Mädchen bang
Hat sie es auch gern gelitten:
Er bestand auf Schwanensang.

Artikelbild: © LiliGraphie / Shutterstock