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Gedichte von Johann Kaspar Lavater

Johann Kaspar Lavater wurde 1741 in Zürich geboren und war ein reformierter Pfarrer, Schriftsteller und Philosoph. Als Sohn eines Arztes besuchte er in der Zeit der Aufklärung zunächst die Deutsche Schule, später die Lateinschule, das Collegium Humanitatis und Carolinum. Seine schriftstellerische Laufbahn begann auf seiner Reise nach Berlin, wo er bedeutende Männer wie Moses Mendelssohn und Christian Fürchtegott Gellert traf. 1764 kehrte Johann Kaspar Lavater schließlich nach zurück, wo er diverse Gesellschaften gründete und wichtige Texte herausbrachte. Auf seiner Rheinreise im Jahre 1774 lernte er erneut wichtige Personen wie Johann Wolfgang von Goethe kennen. Die letzten Jahre verbrachte Lavater unter politischen Ereignissen. Er kritisierte den Einmarsch französischer Truppen in sein Heimatland und wurde unter Verdacht gestellt, Einverständnisse mit Russland und Österreich zu pflegen, wodurch er 1799 verhaftet und nach Basel gebracht wurde. Einige Wochen später wurde er freigelassen und kehrte in seine Heimatstadt zurück. Bei der Eroberung der Stadt durch André Masséna am 26. September 1799 pflegte Lavater verwundeten Soldaten auf der Straße und wurde dabei selbst von einer Kugel getroffen. Mehr als ein Jahr später starb er an den Folgen der damals erlittenen Verletzungen.

Nachfolgend die schönsten Gedichte des Schweizer Schriftstellers und Philosophen:

Liebe
giebt und nimmt
mit unberechnender Einfalt;
Liebe
lebt in der Lust, zu erfreun
erfreuende Liebe;
Liebe
liebt das Geringste, getan
mit herzlicher
Liebe!

– Johann Kaspar Lavater

Liebe, wie leise sie spreche, sie spricht doch hörbar fürs Herz hin.
Liebe, die nichts opfert und die nicht leidet, – ist lieblos;
Treue der Liebe, du fließest in Gottes Schoß aus dem Herzen!
Liebe, dein Accent ist ein Laut aus dem himmlischen Lichtreich!
Liebe, du bist ernst und froh und duldsam und tätig!
Tod zerstört nicht die Lieb‘, — er entflammt zur Unsterblichkeit sie nur!
Liebe bezahlet alles — und bleibt doch immer der Schuldner.
Liebe, dein Schweigen ist schön — und lieblicher oft, als dein Sprechen!
Liebe genießt im Entbehren, im Wirken, im Leiden für andre!
Liebe, deine Kraft ist leis oft, dennoch allwirksam!
Was die Liebe vereint, das trennet kein trennendes Schicksal.
Liebe, du wirst einst die Liebenden alle vereinen!

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– Johann Kaspar Lavater

Achtung, Liebe, Vertrauen, — Grundzüge im Dasein der Freundschaft;
Treue, Weisheit und Mut und Geduld und Liebe — sind Freundschaft!
Freundschaft will, wie das Feuer, genährt sein, — oder sie stirbt.
Wahre Freundschaft sagt, was keine Lippen sonst sagen, —
Wahre Freundschaft verschweigt, was keine Lippen verschweigen.
Was die Freundschaft gibt, nimmt Freundschaft kindlich und froh an.
Schön find des Freundes Tränen, die niemand, als Engel und Gott, sieht!
Wer sich des Glückes des Freundes nicht freut, den Tränen des Freundes
Tränen nicht opfert, — der ist des Freundesnamens nicht würdig.
Edle Freunde bürgen dem Edlen Gott und die Zukunft!
Echte Freunde trennt kein Tod, kein trennendes Schicksal!

– Johann Kaspar Lavater

Leiden, ruhen, tragen, missen, wirken, genießen:
Siehe mit wenigen Worten des Menschen ganze Geschichte!
Menschen sind gebildet für Wahrheit, Gott und die Liebe.
Mensch, du bist erst Mensch durch Tugend und Gottesverehrung!
Mensch, du wirst erst Mensch durch sichere Gotteserkenntnis!
Leben und Tod, o Mensch, ist deiner Wahl anvertrauet,
Kannst empor dich erheben vom Leben zum ewigen Leben, —
Sinken kannst du herab vom Leben zum ewigen Tode!
Mensch, vergäßest du nie der Menschheit göttliche Würde,
O wie würdest du allem von Gott und Unsterblichkeit Freund sein!
Taten des Muts und der Liebe beweisen die Würde des Menschen.
Mensch, benutze die kurze, dem Leben verliehene Saatzeit!
Auch der geringste der Menschen gehört zur Familie Gottes,
Ist so adlig wie du und hat alle Rechte, die du hast!
Nicht nur Blumen zu pflücken, — um Früchte zu tragen, o Mensch, lebst
Du im Thale der Nacht das kurze Leben des Todes!

– Johann Kaspar Lavater

Herz, du bist Gottes Altar, der heiliget jegliches Opfer!
Herz voll Unschuld und Liebe, du bist ein Engel der Gottheit!
Herzens Absicht, nur du bist die Seele der Tat und der Tugend!
Herz, du wirst erst Herz durch Lieb‘ und durch gläubige Hoffnung!
Herzen, die hier sich verstehen, verstehen ganz sich gewiß dort!
Herz, du größtes Geschenk, der dich gab, der nimmt dich nicht wieder! —
Laß dich nie bereden, dem Herzen entgegen zu handeln!
Jede gute Regung in deinem Herzen belohnt Gott!

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– Johann Kaspar Lavater

Hoffnung, o wie süß, wenn Gotteserfahrung der Grund ist!
Hoffnung hat kein Ziel, wo Glauben und Liebe kein Ziel hat!
Hoffnung keimt nur da, wo Unsterblichkeits-Fähigkeit schon ist.
Hindernisse beflügeln und spornen die mutige Hoffnung.
Seele der Tugend ist Liebe; des Glaubens Krone — die Hoffnung.
Hoffnung verlasse dich nie, wenn Nacht sich dicht um dein Aug‘ drängt!
Hoffnung, das höchste Wunder, – der Gottheit herrlichster Lichtstrahl,
Grund des ewigen Lebens! — gewiß „Gott ist, und ist Liebe!“
Wie über Schaun sich der Glaube erhebt, so erhebt sich die Hoffnung
Ueber den Glauben empor, der nur die Verheißung umfasset!

– Johann Kaspar Lavater

Alles enthüllt sich einst: Verdienst und Duldung und Tugend; —
Was sich am längsten und tiefsten verhüllt, wird am schönsten verherrlicht!
Wachse mit jeglichem Tag zur Ehre und Freude des Himmels,
Der aus Sterblichen sich mit Lust Unsterbliche ziehet!
Werd‘ unsterblicher stets durch Glauben und Hoffnung und Liebe!
Vorwärts, vorwärts stets! nie seitwärts, nie rückwärts, – nur vorwärts!
Mut und Demut führt durch Dornenpfade zum Ziele:
Männlich, mutig, froh, demütig, entschlossen und gleich stets!
Jeder Tag bringt Kraft den Schwachen; erwarte du Kraft auch!
Findest du geistige Kraft in Etwas, — verlaß nicht dies Etwas!
Bleibe deiner Erfahrung nur treu und sammle dir neue
Kräfte täglich aus dem, woraus du oft schon geschöpft hast!

– Johann Kaspar Lavater

Echte, dauernde Freude ist nur die Tochter der Weisheit,
Welche das Beste sucht und die besseren Mittel zum Besten.
Sei dir nur Gutes bewußt; dann freue dich deiner und Gottes!
Freude fliehet nicht, nein, kommt zehenfach mit der Tugend!
Freude kommt mit der Treue an Pflicht und an seinem Gefühle!
Hast du was Gutes gethan, so genieße die Freuden des Guten!
Freude fehlet nie, wo Arbeit, Ordnung und Treu‘ ist!
Jede Freude erweitert die Brust, macht leichter das Schwere,
Leichter uns das Gewicht von uns selber, entlastet und hebt uns.
Da nur, wo Weisheit herrscht und Liebe des Rechts, — da ist Freude.
Werde ruhiger stets beim Wirken, Dulden und Beten,
Ruhiger im Genusse der himmelwärts steigenden Freuden!
Jede ruhig entbehrte, vorübergegangene Lust zeugt
Nie gereuende Freuden. — Dich stärke zu jeder Erduldung,
Jeder Last der Gedank‘ an den Allerfreuer der Menschheit!

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– Johann Kaspar Lavater

Deine Sorge sei: der Unsterblichkeit würdig zu leben!
Nach dem Tode liebender Freunde verläßt nicht die Liebe;
War die Liebe herzlich, so ist sie unsterblich, dem Geist gleich.
Liebe gibt uns neues und immer unsterbliches Dasein.
Ja, unsterblich sind wir, wir sind von himmlischer Abkunft:
Denn wir fühlen in uns den Trieb für Lieb‘ und zum Wachstum!
Tod Geliebter gibt den übergebliebenen Freunden
Neue Kraft, an Gott und unsterbliches Leben zu glauben!
Jedes Sterblichen Tod ist allen Unsterblichen wichtig.
Frage des Abends dich: Was tat ich Unsterbliches heute?
Leb‘ als ein Sterblicher stets – und als ein Unsterblicher lebe!
Fröhlich mache dich stets der Gedanke: Auch ich bin unsterblich! —
Glaubende Liebe hat der Unsterblichkeit Pfand in sich selber.
Tue unsterbliche Taten, so wirst du Unsterblichkeit glauben!
Alle Leiden der Zeit vergißt der unsterbliche Geist einst!

– Johann Kaspar Lavater

Wenn Leser! dir mein Reim gefällt,
Danks dem Tyrtäus Gleim!
Der sang von Helden wie ein Held
Und dessen ist mein Reim.

– Johann Kaspar Lavater

Erscheine mir im Taggewand,
Im Nachtgewand, Natur!
Reich deinem Sohn die Mutterhand,
Ihm einen Finger nur!

Dich zu erkennen, welch ein Glück,
Zu fühlen, welche Lust!
Natur! Entwölke meinen Blick,
Enthülle deine Brust!

Ein Strahl von dir umleuchte mich,
Ich sitze oder geh‘!
Still steh‘ mein Odem, wenn ich dich
Im Menschenantlitz seh‘!

– Johann Kaspar Lavater

Artikelbild: © goldnetz / Shutterstock