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Was ist das „Cradle to Cradle“-Prinzip?

Dass wir unsere Umwelt schützen müssten, wird mittlerweile den meisten Menschen zumindest bewusst sein, auch wenn sie oftmals nichts dafür tun. Um den Umweltschutz zu erleichtern, wurde das „Cradle to Cradle“-Konzept auf die Beine gestellt. Das Prinzip ist eine völlig neue Herangehensweise zur Herstellung von intelligenten und gleichzeitig ökologischen Produkten, deren Inhaltsstoffe zu nahezu 100 Prozent zurückgewonnen werden können, anstatt sie zu verbrennen, geringwertig zu recyceln oder als Abfall zu deponieren.

Materialien und ganze Produkte können so als biologische oder technische Nährstoffe in Kreisläufen zirkulieren und beliebig oft wiederverwendet werden. Das Cradle to Cradle Prinzip will möglich machen, dass die Abwässer von Fabriken Trinkwasser-Qualität haben, Kleidung komplett wiederverwendet und Fernseher gegen ein neues Modell eingetauscht werden können. Der Kern der Idee sieht vor, dass man komplette Produktkreisläufe schafft, sodass Müll gar nicht erst entstehen kann. Begriffe wie umweltfreundlich und ökologisch werden somit aus unserem Vokabular verschwinden, da sie schlichtweg nicht mehr benötigt werden.

Hintergrund

Natürliche Ressourcen galten für lange Zeit als unerschöpflich, sodass sie seit der industriellen Revolution, mit dem technologischen Fortschritt und aufgrund wachsender Nachfrage immer mehr genutzt und abgebaut werden. Dies hat zur Folge, dass ein System entwickelt wurde, welches lediglich produzierte und anschließend wegwirft. Obwohl mittlerweile die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen bestens bekannt ist, produziert die Industrie nach wie vor nach diesem Prinzip.

In Deutschland wurden allein im Jahr 2008 mehr als 37 Millionen Tonnen Müll gesammelt. Wird das aktuelle Konzept nicht von Grund auf erneuert, müssen sich auch die nächsten Generationen mit dem von uns produzierten und gelagerten Müll auseinandersetzen. Darüber hinaus beeinflussen die aktuellen Produktionsprozesse bereits stark unsere Umwelt. Durch die Produktion von Luxusgütern werden Luft und Gewässer verschmutzt, wertvolle Ressourcen abgeschöpft und ganze Ökosysteme zerstört – all das nur, um die steigende Nachfrage zu befriedigen. Um den Effekt der Industrialisierung etwas zu minimieren, wird recycelt, reduziert und eingespart. Dies reicht allerdings bei Weitem nicht aus. Aus diesem Grund haben der deutsche Chemiker Michael Baumgart und der US-amerikanische Architekt William McDonough einen völlig neuen Ansatz entwickelt. Das Cradle to Cradle (C2C) Prinzip soll nicht eine, sondern die Lösung für fast all unsere zivilisatorischen Probleme sein.

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Die drei Prinzipien

Abfall ist auch Nahrung und somit ein Teil eines ewigen Kreislaufes. Dies kann man am besten an einem Kirschbaum verdeutlichen. Nachdem der Baum zahlreiche Blüten fast verschwenderisch produziert hat und diese ihren Sinn erfüllt haben, fallen die Blüten zu Boden. Ihre Nährstoffe werden allerdings von anderen Organismen verwendet. Dieses Prinzip überträgt Cradle to Cradle auf Produkte. Sie sollen so gestaltet werden, dass sie nicht nur ihren Zweck erfüllen, sondern bereits im Voraus bekannt ist, wie sie anschließend weiterverwendet werden können. Die erste industrielle Revolution nutzte ausschließlich fossile Brennstoffe, die vor Millionen vor Jahren entstanden. Auch heute noch wird die Atomenergie in fast allen Ländern weltweit genutzt, um Energie zu erzeugen. Dabei belasten die Akws die Zukunft mit Hypotheken und schaffen zudem gefährliche Verpflichtungen für zukünftige Generationen. Dabei bietet unsere Erde zahlreiche Möglichkeiten, um Energie umweltfreundlich und günstig herzustellen. Die Nutzung von erneuerbaren Energien ist das zweite C2C-Prinzip und soll in Zukunft weltweit von allen Ländern genutzt werden. In Deutschland werden bereits mehr und mehr Windparks gebaut, die mithilfe von Wind umweltfreundlichen Strom generieren. Andere Länder profitieren von besonders viel Sonnenschein und speichern diese als Energie ab. Die Unterstützung von Diversität ist das dritte und letzte Prinzip. Im Vergleich zu den Lösungen der industriellen Revolution fördert Mutter Natur eine unendliche Vielfalt. Ebenso muss man bei der Produktion von Gütern mit vielfältigen Ansätzen herangehen.

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Zwei Kreisläufe

Derzeit werden kostbare Ressourcen verschwendet, weil all unsere Produkte nach ihrem Gebrauch nicht in ihre Bestandteile zerlegt werden können. Die Materialströme, die auf der Erde vorhanden sind, können in zwei Kategorien eingeteilt werden: Biomasse und Industriemasse. Bei diesen Materialströmen handelt es sich von unserem Blickpunkt aus betrachtet um technische und biologisch Nährstoffe. Durch die intelligente Produktion sollen alle Materialien in einem Metabolismus befinden und zirkulieren können.

Der biologische Metabolismus sieht vor, dass alle Materialien von Mikroorganismen zu Nährstoffen zersetzt werden. Dabei werden biologisch abbaubare Produkte zu Kompost, dieser wird wiederum zum Nährboden für neue natürliche Rohstoffe. Die in diesem Metabolismus zirkulierenden Produkte werden als Verbrauchsgüter bezeichnet. Dagegen besteht der technische Metabolismus aus aktiv gesteuerten und künstlich gestalteten Materialströmen. Das Prinzip sieht vor industrielle Masse in geschlossenen Systemen zirkulieren zu lassen. Die Materialien und Produkte des Kreislaufs werden Gebrauchsgüter genannt. So könnten Waschmaschinen in Zukunft nicht mehr gekauft, sondern ihre Leistungen lediglich durch eine Gebühr in Anspruch genommen werden. Die Materialien verbleiben bei diesem Leasingprinzip im Besitz des Herstellers. Der Vorteil des Systems ist, dass Hersteller höherwertige Materialien bei der Produktion nutzen kann, da er sie ohnehin zurück erhält und wiederverwenden kann.

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Kritik

Die Idee von McDonough und Braungart wird weltweit sehr gut angesehen. In Dänemark etablierten bereits die 30 größten Unternehmen, darunter auch Lego, das C2C-Prinzip. Limburg, eine niederländische Provinz, nennt sich sogar die erste „Cradle-to-Cradle-Region“. Auch Arnold Schwarzenegger ist ein großer Fan der Idee und will sie in Kalifornien umsetzen. In Deutschland konnte das Prinzip derzeit noch nicht überzeugen. Grund dafür ist die Kritik an der Umsetzbarkeit des Ansatzes. Problematisch wird es beispielsweise mit Riesenmengen Kompost, für die es derzeit kein ausgereiftes Verwertungskonzept gibt. Der Grund liegt allerdings darin, dass es noch keine konkreten Produkte dafür existieren. Diese können allerdings auch ohne das passende Verwertungskonzept nicht auf den Markt gebracht werden. Ein Teufelskreis, der scheinbar nicht enden wird. Braungart und McDonough appellieren aus diesem Grund an kreative Köpfe, damit das Prinzip weiterentwickelt wird und schließlich umgesetzt werden kann.

Artikelbild: © Stefan Holm / Shutterstock